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21. April 2012

Film-Quickie: Der Woodsman gegen die Mächte des Durchschnitts

Wer die bisherigen Film-Quickies verfolgt hat, wird bemerkt haben, dass Abwechslung stets groß geschrieben wurde. Auch diesmal trafen sich Martial-Arts-Film, Psycho-Drama und Gauner-Komödie zur besinnlichen Wertungskonferenz:  


Ong Bak 2
Um die Entstehung des Films ranken sich zahlreiche Gerüchte: Regisseur und Hauptdarsteller Tony Jaa soll das Set für zwei Monate verlassen haben, um in einem Kloster Ruhe zu finden. Dies bestritt der Muay-Thai-Experte allerdings umgehend, sodass man als Unbeteiligter letztlich nicht sicher weiß, warum sich die Produktion verzögert hat. Im Endeffekt bietet aber der zweite Teil ähnliche Kost wie der erste: Rasante, toll inszenierte und fabelhaft gefilmte Kämpfe, eine miserable, weil kaum vorhandene und dazu noch unlogische Story und ansonsten auch nicht viel mehr: Die Musik ist ordentlich, die Kamera weiß auch außerhalb der Fights zu gefallen, aber als Film taugt das ständige Gekloppe kaum. Wer auf die Kampfrichtung steht, macht nichts falsch, sollte sich aber fragen, ob er nicht gleich die Fight Night bei EuroSport sehen möchte…
5/10

The Woodsman
Der pädophile Walter saß zwölf Jahre wegen sexueller Belästigung Minderjähriger im Gefängnis. Als er freikommt, schlägt ihm von allen Seiten Hass und Missgunst entgegen. Lediglich sein Schwager und eine Arbeitskollegin sehen den Menschen hinter dem vermeintlichen Monster.
Kevin Bacon spielt die äußerst schwierige und riskante Rolle herausragend. Er stellt die Leiden und Zwänge des aus der Gesellschaft Ausgestoßenen äußerst glaubhaft dar und vermittelt dem Zuschauer sogar Gefühle des Mitleids und der Anteilnahme. Bei diesem heiklen Thema ist das wahrlich keine Selbstverständlichkeit. Regisseurin Nicole Kassell beweist in ihrem intensiven Spielfilmdebüt viel Gespür für das Spiel mit Kameraeinstellungen und Schnitten, setzt die Dialoge gekonnt in Szene und zeigt, dass man in nur 84 Minuten mehr Film packen kann als manch anderes Drama in der doppelten Zeit. Großartig!
9/10

Bruchreif
Morgan Freeman, Christopher Walken und William H. Macy spielen drei alternde Museumswächter, die nicht mit ansehen wollen, wie ihre liebsten Ausstellungsstücke nach Dänemark verliehen werden. Also entschließen sie sich, auf ihre alten Tagen zum Gauner-Trio zu werden und die Exponate kurzerhand zu stehlen. Doof nur, dass sie in solchen Dingen wenig Erfahrung haben und natürlich einiges schief geht…
So seicht wie die Geschichte ist auch der Rest dieser Hollywood-Komödie. Für einen entspannten Sonntagnachmittag ist das genau richtig: Die drei Diebesrentner geben sich alle Mühe, durch ihre bloße Präsenz und stimmige Mimik das schwache Drehbuch wett zu machen. Doch dies gelingt schlicht zu selten, weshalb einem der Eineinhalbstünder eher wie ein Überlängenfilm vorkommt. Wer aber einfach nur entspannen und hin und wieder schmunzeln möchte, kann zur Wertung gerne noch ein bis zwei Pünktchen addieren.
5/10
Kommentare braucht das Land – und dieser Artikel. Also ran an die Tastatur und raus mit der Meinung!
Bildrechte: Splendid, Universum Film / Tobis, Ascot Elite

15. April 2012

Film-Quickie: Gute Unterhaltung kennt keine Nationalität

England, Hongkong, Österreich, Ukraine, Thailand, USA – wenn das mal keine internationale Auswahl ist! Doch auch die Genres sind abwechslungsreich und bedienen Fans von Action-Filmen, Thrillern,  Komödien, Doku-Dramen und TV-Krimis. Doch lest selbst:  

Import Export
Die Ukrainerin Olga reist nach Wien, um dort als Putzhilfe Geld für sich und ihre Familie zu erarbeiten. Sie stößt dabei auf viele Hürden, Vorurteile und Anfeindungen. Ähnlich geht es dem österreichischen Tagelöhner Paulie, den es für einen Auftrag nach Osteuropa zieht, wo er zwar dem Stress in seiner Heimat entkommt, sich aber mit seinem Kollegen und Stiefvater herumschlagen muss.
Ulrich Seidls Drama mutet so dokumentarisch an, dass man sich erst während der aufgelisteten Darstellernamen im Abspann sicher ist, einen Spielfilm gesehen zu haben. Die ungeschönte, äußerst raue Darstellung des Herrentums gegenüber Menschen aus ärmeren Regionen der Welt ist so hässlich wie die Realität, die Leiden der Protagonisten lasten ebenfalls schwer auf dem Gemüt. Außerdem fällt es ohne Untertitel mitunter sehr schwer, dem wienerischen Gebrabbel zu folgen. Dennoch: „Import Export“ ist ein herausragender und absolut empfehlenswerter Film, der den Zuschauer auf mannigfaltige Art und Weise für sein Durchhaltevermögen belohnt. Wer tiefe Blicke in die Psyche vermeintlich gescheiteter Existenzen auf dem Scheideweg werfen will, liegt hier jedenfalls vollkommen richtig.
8/10

Ong Bak
Kampfkunstfilme aus Asien haben in der Regel folgende Dinge gemeinsam: Sie sehen spektakulär aus, bieten viel Stil, einige gute und natürlich auch schöne Menschen, noch mehr ganz arg böse und auf so etwas wie eine Geschichte wird von vornherein verzichtet. Doch bei den meisten Vertretern wird der Spaß an den sorgfältig choreographierten  Kloppereien durch die verwendeten Haltekabel und sonstigen unrealistischen Hilfsmittel getrübt. Ganz anders bei Ong Bak: Hier wird auf Hilfen verzichtet, Tony Jaa zeigt viele Stunts ohne Seile, Netz und doppelten Boden. Und das beeindruckt vor allem in der ersten Hälfte des Filmes. Die Story passt zwar auch hier auf einen Bierdeckel, aber anfangs wirkt alles stimmig: Charaktere, Tempo, Kämpfe. Nach und nach nutzt sich das aber ab, die Geschichte fällt in ein Loch, das nur notdürftig mit immer langweiligeren Kämpfen gefüllt wird. Was zu Beginn großartig ist, regt gegen Ende zum Gähnen an. Wirklich schade also, dass „Ong Bak“ kein zwanzigminütiger Kurzfilm wurde.
6/10

Luther – Staffeln 1 und 2
Wer meinem letzten Serien-Tipp gefolgt ist und „The Wire“ gesehen hat, der kennt auch Idris Elba. Dieser speilt auf der anderen Seite des Atlantiks, genauer gesagt in London, den Polizisten John Luther. Dessen Methoden entsprechen nicht unbedingt dem Codex sauberer Polizeiarbeit, bringen aber Erfolg. Doch muss er stets aufpassen, nicht einen Schritt zu weit zu gehen…
„Luther“ ist ein äußerst gelungenes BBC-Projekt. Die insgesamt zehn Folgen der ersten beiden Staffeln (eine dritte wurde bereits in Auftrag gegeben) zeigen stets zwei erzählerische Ebenen: Wie in deutschen 08/15-Krimis wird pro Folge ein Fall behandelt, meist mit psychologischem Hintergrund und Lösungsansatz. Außerdem gibt es aber auch eine mehrere Episoden umspannende Rahmenhandlung, die den Zuschauer an die Mattscheibe fesseln soll. Und das gelingt durchaus, auch wenn hin und wieder der Realismus zu wünschen übrig lässt, die meisten Nebendarsteller blass bleiben und die zweite Staffel weniger überzeugt als die erste. Dennoch ist die One-Man-Show des überaus talentierten und wandlungsreichen Idris Elba aus meiner Sicht die beste europäische Serie der letzten Jahre, bietet sie doch Spannung abseits ausgetretener Genre-Pfade.
8/10

Infernal Affairs 2
Der Nachfolger des gefeierten Hongkong-Thrillers spinnt nicht etwa die Geschichte um die beiden Maulwürfe, die sich bei der Mafia bzw. Polizei eingeschlichen haben, sondern erklärt jene Vorgeschichte, welche im ersten Teil nur angerissen wurde. Es geht also darum, wie die beiden Protagonisten von ihren jeweiligen Auftraggebern beim Feind eingeschleust wurden. Klingt nicht gerade innovativ, ist jedoch aufgrund der recht hohen Sterberate der Charaktere des Vorgängers durchaus nachvollziehbar.
Und auch „Infernal Affairs 2“ bietet viele spannende Momente, eine dichte Atmosphäre und ein Problem, das der werte Herr Zeis in seinem Kommentar zum ersten Teil aufgriff: Wer (wie ich) mit den Schauspielern und dem asiatischen Kino im Allgemeinen nicht vertraut ist, kann vor allem die beiden Undercover-Spione leicht verwechseln – vor allem, weil diese auch hin und wieder mal die Frisur ändern. Diese erschwerte Zuordnung kann man dem Film natürlich nur schwerlich vorwerfen, weshalb ich Thriller-Fans die Sichtung empfehlen kann, besonders Anhänger des Prequels oder aber des US-Remakes „Departed“ können bedenkenlos zugreifen.
7/10  

Swing Vote
Kevin Costner spielt einen versoffenen Chaoten, der von seiner Tochter in eine missliche Lage gebracht wird: Bei der Präsidentschaftswahl steht es exakt unentschieden und seine Stimme wird entscheiden. Für den völlig Politikuninteressierten ein Wendepunkt im Leben.
Trotz der äußerst hanebüchenen Story weiß die Komödie in vielen Punkten zu überzeugen. So driftet sie nie ins Lächerliche ab und streut geschickt Kritik an Politik- und Medienschaffenden ein. An manchen Stellen wäre mehr Mut zwar wünschenswert gewesen, doch ist die gut integrierte Aussage dennoch im positiven Sinne überraschend für eine solche Hollywood-Produktion. Meine Freundin sprach hinterher von einem „netten Film“ - und brachte es damit wertungstechnisch auf den Punkt.
6/10

Nachdem nun knapp drei Monate ohne Kritiken ins Land gezogen sind, wurden auch die Kommentare weniger und weniger. Das könnt ihr nicht so stehen lassen, oder!?
 
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