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23. Dezember 2012

Film-Quickie: Das Ende der gehenden Kuckucksnester

Über ein halbes Jahr ist es nun her, als das Filmzeugnis zuletzt Film- und Serienrezensionen anbot. Knapp sieben Monate später finde ich nun endlich Zeit und Muße, drei weitere Kritiken einzustellen. Darunter ein Klassiker mit Jack Nicholson, eine TV-Serie und ein Film mit Bruno Ganz, was ja als Information genügt, um dem Film eine gewisse Qualität zu unterstellen. Doch nun viel Spaß!   

Einer flog über das Kuckucksnest
Jack Nicholson kann alles spielen, keine Frage. Auch die Rolle eines psychisch Kranken liegt ihm. Seine Mimik ist so detailliert, seine Impulsivität so glaubwürdig, sein Auftreten so pointiert. Er sticht aus der Riege der „Verrückten“ heraus, obwohl jeder Patient wahrlich sein Päckchen zu tragen hat. Teilweise erinnert es an „Shining“, wie selbstsicher und bestimmend Nicholson seinen Part interpretiert. Und dennoch entwickelt sich im Film eine andere Figur entscheidend weiter, so dass sie am Ende zum eigentlichen Star wird: Chief Bromden, ein vermeintlich taubstummer „Häuptling“, groß, mächtig, dennoch unscheinbar.
Geniale Schauspieler, spannende Momente und viel Kurzweil führen trotz weniger, locker verschmerzbarer Logiklöcher dazu, dass gut zwei Stunden für dieses Meisterwerk viel zu wenig sind. Das Ende fällt keineswegs ab, doch hätte ich es liebend gerne weiter hinausgezögert. Welches größere Kompliment könnte man einem verdienten Klassiker der Filmgeschichte geben?
10/10

The Walking Dead – Staffel 1 & 2
Holla die Waldfee, das hätte ich nicht erwartet! Bisher konnte ich keinen einzigen Zombiefilm ganz ansehen, zu plump waren die Geschichte, zu wenig fesselte die Action, zu unglaubwürdig waren die Charaktere und vor allem – zu sehr wurde auf musikalische Jump Scares gesetzt, anstatt etwas Substanz beizufügen. Doch die ersten beiden Staffeln der hierzulande auf RTL II ausgestrahlten Fernsehserie ist ganz anders als die filmischen Ausfälle à la „28 Days later“. Kurz zur Geschichte der ersten Staffel: Ein Polizist erwacht im Krankenhaus aus dem Koma und stellt fest, dass er einer von wenigen Menschen ist, die nicht bereits zu Zombies mutiert sind. Neben dem größten Ziel, die ständigen Attacken zu überleben, möchte er vor allem Frau und Sohn finden, von deren Überleben er überzeugt ist. Doch zunächst gilt es, nach Atlanta zu gelangen – der vermeintlich sicheren Großstadt…
„The Walking Dead“ basiert auf einer Comicreihe und schafft es dank glaubwürdiger Charaktere, gelungener Dialoge und nicht übermäßig eingesetzter Action, die Konkurrenz in Sachen Untoten-Produktionen locker hinter sich zu lassen. Hier sind keine großen Schreckmomente nötig, vielmehr sind es Drehbuch, Kamera und Regie, die die beklemmende Stimmung gelungen transportieren. Zwar wirkt nicht jede Szene logisch und stringent, doch verzeiht man dies angesichts der gelungenen Mischung aus Spannung und Ruhepausen. Eine wirklich gelungene Serie, die ich (aufgrund der stellenweise recht derben Brutalität) volljährigen Serienfans wärmstens ans hoffentlich noch menschliche Herz legen möchte.
8/10

Das Ende ist mein Anfang
Die deutsch-italienische Koproduktion zeigt die letzten Tage im Leben des ehemaligen Spiegel-Auslandskorrespondenten Tiziano Terzani (Bruno Ganz). Dieser ruft den in New York weilenden Sohn Folco zu sich in die Abgeschiedenheit der toskanischen Berge, da er sein baldiges Ende heraneilen spürt. In den folgenden Tagen berichtet er dem Zögling von seinem bewegten Leben und Schaffen in Asien, hält durchdachte Monologe über die Menschheit und den Sinn des Lebens. Dabei wirkt der vollbärtige Erzähler aber alles andere als altklug, sondern voller Demut und Weitsicht.
„Das Ende ist mein Anfang“ ist ein vielschichtiges philosophisches Drama, das durch die ruhige Erzählweise und den Verzicht auf Rückblenden allerdings auch mitunter ein klein wenig einschläfernd wirkt. Geradezu überragend ist hingegen Bruno Ganz, der eine der besten Leistungen seiner beeindruckenden Karriere zeigt. Der Darsteller seines Filmsohnes, Elio Germano, hat hingegen mit gleich zwei Dingen zu kämpfen: seinem überschaubaren Talent und seiner italienischen Muttersprache. Denn Folco wird im Gegensatz zum Protagonisten synchronisiert, was leider erheblich an der ansonsten tollen Atmosphäre kratzt. Somit bleibt ein in manchen Bereichen hervorragender Streifen, der sich durch unnötigerweise verschenktes Potenzial selbst um den verdienten Lohn einer höheren Wertung bringt.
7/10

Bildrechte: Warner, Entertainment One / WVG, Universum Film

28. Mai 2012

Film-Quickie: Wer steht schon auf Mononationalismus?

"Wie bitte was?“ fragt sich vielleicht mancher Besucher beim Lesen der Überschrift. Nun, die meisten Filme spielen in dem Land, in dem sie produziert wurden, mit einheimischen Protagonisten und so weiter. Daher stehen heute mal  interkulturelle Filme auf der Speisekarte: Es geht um Amerikaner im Irak, Touristen aus aller Herren Länder in Griechenland und britische Geheimdienstler in Irland. Zugegeben, richtig außergewöhnlich mögen diese Beispiele nicht sein, doch fiel mir auf die Schnelle kein besserer Aufhänger ein. Also angeschnallt und losgelesen!

Buried – Lebendig begraben
„Buried“ zeigt den verzweifelten Überlebenskampf eines Mannes (überraschend glaubwürdig: Ryan Reynolds), der in einem Sarg vergraben wurde. Nur mit Handy, Feuerzeug und Taschenlampe versucht er alles, um wieder Tagesluft atmen zu dürfen…
Respekt, es gibt also aller Unkenrufe zum Trotz noch hier und da Hollywood-Produktionen, die altbekannte Sehgewohnheiten über Bord werfen und Neues  wagen. Zwar wurde nicht auf jedes Klischee rund um das kriegstreibende Völklein westlich des Atlantischen Ozeans verzichtet, doch der Mut, hier und da anders zu sein als aus der Traumfabrik gewohnt, erfreut das Auge und trägt zur Stimmung bei. Schade: Obwohl man in den eineinhalb Stunden nur Ryan Reynolds zu Gesicht bekommt, fiel mir eine Identifikation mit seinem Charakter schwer, weshalb der klaustrophobische Streifen leider nicht eine derart große Spannung aufbaut wie intendiert. Dennoch ist diese gelungene Mischung aus Thriller und Drama absolut sehens- und empfehlenswert.
8/10

My Big Fat Greek Summer
Eine studierte Historikerin versucht sich in Griechenland als Reisebegleiterin über Wasser zu halten. Da sich aber die Klischee-Touristen grundsätzlich nur für Shopping und Strand, nicht aber für Kulturgeschichte interessieren, steht die Protagonistin kurz vor dem Rauswurf. Auch ihre neueste Wochen-(Tor)Tour beginnt alles andere als glücklich, bekommt sie doch eine vermeintlich unangenehme Gruppe, einen auf den ersten Blick unheimlichen Busfahrer und noch dazu ein Reisemobil, das vielleicht im letzten Jahrtausend mal ganz brauchbar war...
Der größte Witz an dieser romantischen Komödie lässt sich nicht lange Zeit, versteckt er sich doch ganz subtil im Namen des vollbärtigen, schweigsamen Busfahrers: Pupsi Kakas. Witz lass nach, welch Einfallsreichtum! Über weite Strecken bleibt das Drehbuch sogar unter diesem Niveau und leistet sich zudem einige Aussetzer in der Charakterisierung und den Dialogen. Dennoch gibt es auch einige positive Aspekte, etwa die wunderschön eingefangenen Sehenswürdigkeiten der alten Griechen, Richard Dreyfuss als weiser, aber zu Beginn doch sehr nerviger Spaßvogel, und einige gelungene Mundwinkelerhöher. Das ist immerhin deutlich mehr, als ich zu hoffen wagte und dürfte bei anspruchslosen Naturen für einen netten Sonntagnachmittag taugen.
4/10

50 Dead Men Walking – Der Spitzel
Ein Kleinkrimineller landet in den Fängen der IRA. Er erkennt zwar den Charme der Vereinigung, weiß aber dennoch ihre Machenschaften richtig einzuordnen. Daher wird er zum Spitzel der Briten, verrät fortan Namen und Pläne. Allerdings ist es nur eine Frage der Zeit, bis er auffliegt…
Die um einige fiktionale Details angereicherte wahre Geschichte des britischen Spitzels Martin (glaubwürdig: Jim Sturgess) kommt recht langsam in Fahrt, weiß aber gerade gegen Ende zu fesseln und erzählt eine beklemmende europäische Kriegsgeschichte. Besonders beeindruckend ist dabei das Spiel Ben Kingsleys, der als britischer Sicherheitsoffizier gelungen den Spagat zwischen Vaterfigur und Mentor verkörpert und so dazu beiträgt, dass der Zuschauer auch über den recht ermüdenden Mittelteil hinaus am Ball bleiben möchte. Regisseurin Kari Skogland liefert mit dem Thriller-Drama ihren wohl besten Film ab, verdient sich die gute Wertung aber nur dank des Schlusses und Ben Kingsley gerade so.
7/10

Bildrechte: Ascot Elite (2x), Splendid

21. April 2012

Film-Quickie: Der Woodsman gegen die Mächte des Durchschnitts

Wer die bisherigen Film-Quickies verfolgt hat, wird bemerkt haben, dass Abwechslung stets groß geschrieben wurde. Auch diesmal trafen sich Martial-Arts-Film, Psycho-Drama und Gauner-Komödie zur besinnlichen Wertungskonferenz:  


Ong Bak 2
Um die Entstehung des Films ranken sich zahlreiche Gerüchte: Regisseur und Hauptdarsteller Tony Jaa soll das Set für zwei Monate verlassen haben, um in einem Kloster Ruhe zu finden. Dies bestritt der Muay-Thai-Experte allerdings umgehend, sodass man als Unbeteiligter letztlich nicht sicher weiß, warum sich die Produktion verzögert hat. Im Endeffekt bietet aber der zweite Teil ähnliche Kost wie der erste: Rasante, toll inszenierte und fabelhaft gefilmte Kämpfe, eine miserable, weil kaum vorhandene und dazu noch unlogische Story und ansonsten auch nicht viel mehr: Die Musik ist ordentlich, die Kamera weiß auch außerhalb der Fights zu gefallen, aber als Film taugt das ständige Gekloppe kaum. Wer auf die Kampfrichtung steht, macht nichts falsch, sollte sich aber fragen, ob er nicht gleich die Fight Night bei EuroSport sehen möchte…
5/10

The Woodsman
Der pädophile Walter saß zwölf Jahre wegen sexueller Belästigung Minderjähriger im Gefängnis. Als er freikommt, schlägt ihm von allen Seiten Hass und Missgunst entgegen. Lediglich sein Schwager und eine Arbeitskollegin sehen den Menschen hinter dem vermeintlichen Monster.
Kevin Bacon spielt die äußerst schwierige und riskante Rolle herausragend. Er stellt die Leiden und Zwänge des aus der Gesellschaft Ausgestoßenen äußerst glaubhaft dar und vermittelt dem Zuschauer sogar Gefühle des Mitleids und der Anteilnahme. Bei diesem heiklen Thema ist das wahrlich keine Selbstverständlichkeit. Regisseurin Nicole Kassell beweist in ihrem intensiven Spielfilmdebüt viel Gespür für das Spiel mit Kameraeinstellungen und Schnitten, setzt die Dialoge gekonnt in Szene und zeigt, dass man in nur 84 Minuten mehr Film packen kann als manch anderes Drama in der doppelten Zeit. Großartig!
9/10

Bruchreif
Morgan Freeman, Christopher Walken und William H. Macy spielen drei alternde Museumswächter, die nicht mit ansehen wollen, wie ihre liebsten Ausstellungsstücke nach Dänemark verliehen werden. Also entschließen sie sich, auf ihre alten Tagen zum Gauner-Trio zu werden und die Exponate kurzerhand zu stehlen. Doof nur, dass sie in solchen Dingen wenig Erfahrung haben und natürlich einiges schief geht…
So seicht wie die Geschichte ist auch der Rest dieser Hollywood-Komödie. Für einen entspannten Sonntagnachmittag ist das genau richtig: Die drei Diebesrentner geben sich alle Mühe, durch ihre bloße Präsenz und stimmige Mimik das schwache Drehbuch wett zu machen. Doch dies gelingt schlicht zu selten, weshalb einem der Eineinhalbstünder eher wie ein Überlängenfilm vorkommt. Wer aber einfach nur entspannen und hin und wieder schmunzeln möchte, kann zur Wertung gerne noch ein bis zwei Pünktchen addieren.
5/10
Kommentare braucht das Land – und dieser Artikel. Also ran an die Tastatur und raus mit der Meinung!
Bildrechte: Splendid, Universum Film / Tobis, Ascot Elite

15. April 2012

Film-Quickie: Gute Unterhaltung kennt keine Nationalität

England, Hongkong, Österreich, Ukraine, Thailand, USA – wenn das mal keine internationale Auswahl ist! Doch auch die Genres sind abwechslungsreich und bedienen Fans von Action-Filmen, Thrillern,  Komödien, Doku-Dramen und TV-Krimis. Doch lest selbst:  

Import Export
Die Ukrainerin Olga reist nach Wien, um dort als Putzhilfe Geld für sich und ihre Familie zu erarbeiten. Sie stößt dabei auf viele Hürden, Vorurteile und Anfeindungen. Ähnlich geht es dem österreichischen Tagelöhner Paulie, den es für einen Auftrag nach Osteuropa zieht, wo er zwar dem Stress in seiner Heimat entkommt, sich aber mit seinem Kollegen und Stiefvater herumschlagen muss.
Ulrich Seidls Drama mutet so dokumentarisch an, dass man sich erst während der aufgelisteten Darstellernamen im Abspann sicher ist, einen Spielfilm gesehen zu haben. Die ungeschönte, äußerst raue Darstellung des Herrentums gegenüber Menschen aus ärmeren Regionen der Welt ist so hässlich wie die Realität, die Leiden der Protagonisten lasten ebenfalls schwer auf dem Gemüt. Außerdem fällt es ohne Untertitel mitunter sehr schwer, dem wienerischen Gebrabbel zu folgen. Dennoch: „Import Export“ ist ein herausragender und absolut empfehlenswerter Film, der den Zuschauer auf mannigfaltige Art und Weise für sein Durchhaltevermögen belohnt. Wer tiefe Blicke in die Psyche vermeintlich gescheiteter Existenzen auf dem Scheideweg werfen will, liegt hier jedenfalls vollkommen richtig.
8/10

Ong Bak
Kampfkunstfilme aus Asien haben in der Regel folgende Dinge gemeinsam: Sie sehen spektakulär aus, bieten viel Stil, einige gute und natürlich auch schöne Menschen, noch mehr ganz arg böse und auf so etwas wie eine Geschichte wird von vornherein verzichtet. Doch bei den meisten Vertretern wird der Spaß an den sorgfältig choreographierten  Kloppereien durch die verwendeten Haltekabel und sonstigen unrealistischen Hilfsmittel getrübt. Ganz anders bei Ong Bak: Hier wird auf Hilfen verzichtet, Tony Jaa zeigt viele Stunts ohne Seile, Netz und doppelten Boden. Und das beeindruckt vor allem in der ersten Hälfte des Filmes. Die Story passt zwar auch hier auf einen Bierdeckel, aber anfangs wirkt alles stimmig: Charaktere, Tempo, Kämpfe. Nach und nach nutzt sich das aber ab, die Geschichte fällt in ein Loch, das nur notdürftig mit immer langweiligeren Kämpfen gefüllt wird. Was zu Beginn großartig ist, regt gegen Ende zum Gähnen an. Wirklich schade also, dass „Ong Bak“ kein zwanzigminütiger Kurzfilm wurde.
6/10

Luther – Staffeln 1 und 2
Wer meinem letzten Serien-Tipp gefolgt ist und „The Wire“ gesehen hat, der kennt auch Idris Elba. Dieser speilt auf der anderen Seite des Atlantiks, genauer gesagt in London, den Polizisten John Luther. Dessen Methoden entsprechen nicht unbedingt dem Codex sauberer Polizeiarbeit, bringen aber Erfolg. Doch muss er stets aufpassen, nicht einen Schritt zu weit zu gehen…
„Luther“ ist ein äußerst gelungenes BBC-Projekt. Die insgesamt zehn Folgen der ersten beiden Staffeln (eine dritte wurde bereits in Auftrag gegeben) zeigen stets zwei erzählerische Ebenen: Wie in deutschen 08/15-Krimis wird pro Folge ein Fall behandelt, meist mit psychologischem Hintergrund und Lösungsansatz. Außerdem gibt es aber auch eine mehrere Episoden umspannende Rahmenhandlung, die den Zuschauer an die Mattscheibe fesseln soll. Und das gelingt durchaus, auch wenn hin und wieder der Realismus zu wünschen übrig lässt, die meisten Nebendarsteller blass bleiben und die zweite Staffel weniger überzeugt als die erste. Dennoch ist die One-Man-Show des überaus talentierten und wandlungsreichen Idris Elba aus meiner Sicht die beste europäische Serie der letzten Jahre, bietet sie doch Spannung abseits ausgetretener Genre-Pfade.
8/10

Infernal Affairs 2
Der Nachfolger des gefeierten Hongkong-Thrillers spinnt nicht etwa die Geschichte um die beiden Maulwürfe, die sich bei der Mafia bzw. Polizei eingeschlichen haben, sondern erklärt jene Vorgeschichte, welche im ersten Teil nur angerissen wurde. Es geht also darum, wie die beiden Protagonisten von ihren jeweiligen Auftraggebern beim Feind eingeschleust wurden. Klingt nicht gerade innovativ, ist jedoch aufgrund der recht hohen Sterberate der Charaktere des Vorgängers durchaus nachvollziehbar.
Und auch „Infernal Affairs 2“ bietet viele spannende Momente, eine dichte Atmosphäre und ein Problem, das der werte Herr Zeis in seinem Kommentar zum ersten Teil aufgriff: Wer (wie ich) mit den Schauspielern und dem asiatischen Kino im Allgemeinen nicht vertraut ist, kann vor allem die beiden Undercover-Spione leicht verwechseln – vor allem, weil diese auch hin und wieder mal die Frisur ändern. Diese erschwerte Zuordnung kann man dem Film natürlich nur schwerlich vorwerfen, weshalb ich Thriller-Fans die Sichtung empfehlen kann, besonders Anhänger des Prequels oder aber des US-Remakes „Departed“ können bedenkenlos zugreifen.
7/10  

Swing Vote
Kevin Costner spielt einen versoffenen Chaoten, der von seiner Tochter in eine missliche Lage gebracht wird: Bei der Präsidentschaftswahl steht es exakt unentschieden und seine Stimme wird entscheiden. Für den völlig Politikuninteressierten ein Wendepunkt im Leben.
Trotz der äußerst hanebüchenen Story weiß die Komödie in vielen Punkten zu überzeugen. So driftet sie nie ins Lächerliche ab und streut geschickt Kritik an Politik- und Medienschaffenden ein. An manchen Stellen wäre mehr Mut zwar wünschenswert gewesen, doch ist die gut integrierte Aussage dennoch im positiven Sinne überraschend für eine solche Hollywood-Produktion. Meine Freundin sprach hinterher von einem „netten Film“ - und brachte es damit wertungstechnisch auf den Punkt.
6/10

Nachdem nun knapp drei Monate ohne Kritiken ins Land gezogen sind, wurden auch die Kommentare weniger und weniger. Das könnt ihr nicht so stehen lassen, oder!?
 
Bildrechte: AL!VE/Alamode Film, MC One, Polyband/WVG/BBC, Splendid

20. Januar 2012

Film-Quickie: Überraschendes aus Deutschland

Fünf Filme aus vier Genres laden herzlich dazu ein, von euch gesehen zu werden. Zuvor lohnt aber vielleicht ein Blick auf die Rezensionen. Mich überraschten die Filme zwei bis fünf allesamt positiv, erwartete ich doch jeweils nicht allzu viel. Bei „Stone“ hingegen stimme ich den meisten Kollegen zu: Hier wurde viel Potenzial verschenkt.

Stone
Stell‘ dir vor, Robert De Niro, Edward Norton und Milla Jovovich stehen gemeinsam vor der Kamera – und keiner ist begeistert. So geschehen bei „Stone“ – trotz der beiden besten Charakterdarsteller ihrer jeweiligen Generation und der beliebten „Resident Evil“-Amazone will der Funke bei diesem Drama nicht so recht überspringen. 
An der Geschichte liegt es eher nicht. Diese erzählt von dem Sträfling Stone (Edward Norton), welcher mit allen Mitteln versucht, seinen Bewährungshelfer (Robert De Niro) davon zu überzeugen, ihn wieder auf freien Fuß zu setzen. Dabei sollen nicht zuletzt die Verführungskünste seiner Frau (für Fans des kleinen Busens auch „oben ohne“ zu sehen: Milla Jovovich) zum Ziel führen.
Der Film lebt fast ausschließlich von der Leistung seiner Darsteller und der Chemie, die vor allem zwischen De Niro und Jovovich zu spüren ist. Viele Vorgaben im Drehbuch sind hingegen zutiefst fragwürdig - etwa die Tatsache, dass Stones Frau sieben Jahre auf ihren Mann wartet, obwohl die beiden nur wenig gemein haben. Am Ende bleibt ein ruhiger, teilwiese intensiver, manchmal aber auch langatmiger und unentschlossener Streifen über mögliche Arten der Manipulation, den Fans der Schauspieler zwar getrost sehen können, der für die breite Masse aber zu wenig bietet, um ihn ernsthaft zu empfehlen.
6/10

Brüno
Der homosexuelle, österreichische Modereporter Brüno (Sascha Baron Cohen ) tritt in die Fußstapfen seiner geistigen Vorfahren Ali G und Borat. Kurzum: Er sucht sich die Fettnäpfchen aus, springt mit Genuss hinein und tollt so lange darin herum, bis der letzte Zuschauer vor Fremdscham die Hände vor dem Gesicht zusammen schlägt.
Brünos Talkshow-Auftritt mit angeblich in Afrika gegen einen iPod getauschtem Baby ist da nur ein Tabubruch von vielen. Alles in Cohens drittem Spielfilm ist hier sogar noch übertriebener als in den Vorgängern und wirft daher umso mehr die Frage auf, wie viele der real wirkenden Szenen gestellt sind. Doch wenn auch nur ein Fünkchen Wahrheit enthalten ist, so dient dies als ein weiterer Beweis für die Dummheit des gemeinen US-Amerikaners. Nicht, dass wir Deutschen da schlauer wären, aber uns hält einfach niemand so gekonnt den Spiegel vor wie Sascha Baron Cohen in einer seiner zahlreichen Rollen. Wie in allen Filmen des Entertainers gilt auch hier: Bitte keinesfalls in der deutschen Fassung sehen, wenn nicht die Hälfte des Spaßes flöten gehen soll.
7/10

Der letzte schöne Tag
Eine Frau verliert den Kampf gegen die Depression und nimmt sich das Leben. Es beginnt eine schwere Zeit für ihren Mann (klasse: Wotan Wilke Möhring) und die beiden Kinder.
Unglaublich, aber wahr: Von Anfang an nahm mich dieser Fernsehfilm der ARD sofort gefangen und hielt das hohe Niveau bis zum Schluss. Was die Darsteller zeigen, ist so glaubwürdig, völlig frei von Klischees und übertriebenem Druck auf die Tränendrüse. „Der letzte schöne Tag“ ist ein tieftrauriges Drama, das das Leiden einer entzwei gerissenen Familie auf realistische Art und Weise aufzeigt und außerdem durch ein Gedicht von Mascha Kaléko den intensivsten Momenten zusätzliche Tiefe verleiht. Respekt an die Produzenten´, derart ehrliche und mutige deutsche Filme gibt es viel zu selten!
9/10

Infernal Affairs
Wie du mir, so ich dir: Frei nach diesem alttestamentarischen Motto schleust ein Drogenbaron einen seiner Leute undercover bei der Polizei ein – und hat doch selbst einen Cop in seinen Reihen. Beide Spitzel wissen von der Existenz des anderen – die Frage ist nur, wer wen zuerst enttarnt…
Die in Hongkong produzierte Vorlage des Hollywood-Thrillers „Departed – Unter Feinden“ ist zwar eine Stunde kürzer als ihre Kopie, kann aber dennoch überzeugen: Die Charaktere werden ausreichend eingeführt, nach dem verwirrenden Anfang kann man auch die einander optisch ähnelnden Maulwürfe auseinander halten – das gelang mir bei „Departed“ nur mit Mühe. Die Schauspieler machen einen guten Eindruck, ebenso Kulisse, Regie und Drehbuch. Ein wirklich gelungener  Auftakt der „Infernal Affairs“-Trilogie.
8/10

Black Box
Ein Mann liegt nach einem schweren Autounfall tagelang im Koma. In der Aufwachphase murmelt er scheinbar sinnbefreite Wörter und Satzfetzen vor sich hin, die eine Krankenschwester notiert.  Nun gilt es, mit diesen Brocken das eigene Gedächtnis aufzufrischen, doch ist er dazu auch von der Hilfe seiner Vertrauten und Ärzte abhängig…
Was klingt wie ein typischer Amnesie-Thriller, ist ein optisch wie erzählerisch interessanter Streifen, der dank des guten Casts und gelungener Story-Wendungen einiges an Spannung aufbaut. Erfreulicherweise halten sich bei der französischen Produktion auch die genretypischen Logiklöcher in Grenzen, lediglich der finale Twist wirkt konstruiert und ist ein wenig enttäuschend. Nichtsdestotrotz ist „Black Box“ ein sehr sehenswerter Film geworden, der durch seinen visuellen Stil genauso überzeugt wie mit der vorhandenen Substanz – eine Seltenheit im Bereich der Psychothriller.
7/10

Euch juckt es in den Fingern? Dann immer raus damit, ich freue mich über jeden Kommentar!
Bildrechte: Ascot Elite, Universal, WDR/Willi Weber, MC One, Splendid

4. Januar 2012

Film-Quickie: Von Göttern, Drähten und Hundezähnen

Besten Dank an meat und DerFrank für die Kommentare zum ersten Film-Quickie! Tatsächlich bestätigte mich eine dort aufgeworfenen Frage im Plan, das Bewertungssystem umzustellen: Zumindest bei den Kurzkritiken werde ich von Zehntel-Schulnoten auf ein einfaches Zehnersystem ohne Kommazahlen umstellen. Zehn Punkte gibt es nur für sensationell gute Produktionen, zwischen null und vier Punkten sollte man dagegen besser gebührenden Abstand wahren. Auch im heutigen Fünferpack sorge ich für ausreichend Abwechslung, indem ich einer Serienstaffel ein Kino-Drama, einen Western-Abgesang, einen Thriller und einen mehr als außergewöhnlichen Independent-Streifen zur Seite stelle. Nach der Lektüre freue ich mich über eure Meinung zu den Filmen und dem neuen Wertungssystem.

Der Gott des Gemetzels 
Zwei Ehepaare treffen sich, um ganz gesittet die Streitigkeit ihrer jeweiligen Söhne zu klären, die zu einer dicken Lippe und zwei abgebrochenen Schneidezähnen führte.
Dabei spielt sich alles wie in Yasmina Rezas Drama „Le Dieu du Carnage“, das zuvor nur im Theater zu sehen war, in einer Wohnung ab. Christoph Waltz und Kate Winslet treffen dabei auf John C. Reilly und Jodie Foster, die alle auf ihre Weise dazu beitragen, das einstmals kultivierte Schlichtungsgespräch im Fiasko enden zu lassen. Dabei überzeugen Dialoge sowie Gestik und Mimik des Mimen-Quartetts derart, dass der Zuschauer ein ums andere Mal herzhaft lachen muss und zu keiner Zeit einen Szenenwechsel wünscht – höchstens, um sich und den Charakteren eine Pause zu gönnen. Doch die gibt es nicht, und so darf Roman Polanski nach Herzenslust streiten, schlichten, beleidigen und sogar reihern lassen. Ein großer Spaß – nicht nur für Anhänger des Programmkinos.
8/10

Erbarmungslos
Einem Schweinebauer geht das Geld aus – also besinnt er sich auf seine wenig ruhmreiche Vergangenheit, greift zur Flinte und begibt sich auf Kopfgeldjagd.
Clint Eastwood stimmt einen klasse inszenierten Abgesang auf das Western-Genre an: Es sind die alten Haudegen, die den Ton angeben, nicht die schießwütigen Jungspunde. Eastwood, Freeman und Hackman spielen so souverän wie gewohnt, man nimmt ihnen ihre Sorgen und Ängste ab. Es ist schön, einen Genrevertreter zu sehen, der nicht nur von Revolverhelden und Feiglingen erzählt, sondern dieses gewohnte Schema aufbricht. Wie fast immer gilt also auch hier: Was Clint Eastwood anpackt, das ist großes Kino! Im Vergleich zu seinen neueren Werken (etwa „Million Dollar Baby“ und „Gran Torino“) fehlt in „Erbarmungslos“ dennoch der letzte Feinschliff, die tiefe Dramatik, das gewissen Etwas. Zu oft denkt man, dass einfach mehr möglich gewesen wäre…
7/10

The Wire – Staffel 1
Realistisch, komplex, packend, dramatisch, vielschichtig, kompromisslos, humorvoll, genial: Viele Attribute ließen sich für die erste Staffel der „besten Serie der Fernsehgeschichte“ (nach Meinung u.a. von FAZ, TIME Magazine und The Guardian) finden. Wichtig ist aber vor allem, dass alle tatsächlich zutreffen! Und auch ich wurde überzeugt: „The Wire“ ist tatsächlich die beste TV-Serie aller Zeiten, trotz „Twin Peaks“, „The Sopranos“ und vieler weiterer richtig guter Konkurrenten. Denn so nah an die Wirklichkeit der Polizeiarbeit in einem vom Drogenhandel bestimmten Stadtteil Baltimores kommen selbst die aufwändigsten Dokumentationen noch nicht mal im Ansatz.
Besonders an der der Serie ist, dass beide Seiten intensiv beleuchtet werden: Die korrupten Mühlen der „ach so guten“ Polizei und die vermeintlich bösen Drogendealer. Dabei verschwimmen Schwarz und Weiß, Gut und Böse auf so perfekte Art und Weise, dass man als Zuschauer manchmal nicht weiß, zu wem man mehr hält. Die Schauspielersind bis auf ganz wenige Nebendarsteller äußerst glaubwürdig, weil ihnen eine unglaubliche Tiefe verliehen wird. Diese wird aber erst nach und nach aufgebaut und ist anfangs höchstens zu erahnen. Dazu kommt seltener, aber sehr passender Humor, das Gefühl für den perfekten Moment, bahnbrechende Dialoge, später sogar richtig beklemmende und intensive Spannung. Das alles ist ganz weit weg vom Hochglanz-Profiling à la CSI – und damit um Welten besser. Wenn es etwas zu bemängeln gibt, dann die Tatsache, dass die Serie trotz aller Bemühungen bei der Erstellung der deutschen Synchronfassung nur im englischen Originalton zu empfehlen ist. Dennoch: Jeder, der sich gerne auf intelligente Weise in seinen Bann ziehen lassen möchte, muss den dreizehn etwa einstündigen Episoden der ersten Staffel von David Simons Meisterwerk "The Wire" eine Chance geben.
10/10

Dogtooth
Drei inzwischen erwachsene Kinder werden von ihren Eltern auf eine absolut abartige Art und Weise erzogen: Sie haben nie das elterliche Anwesen verlassen, ihnen wurde gar beigebracht, dass dies auch nur mit dem Auto möglich sei. Katzen seien bestialische Raubtiere, die liebend gerne Menschen zerfleischen und der Sinn des Lebens besteht im Sammeln von Stickern, die man für Erfolge in spaßigen Spielen wie „Wer hält im Pool länger die Luft an“ erhält…
Der griechische Film schert sich nicht um Sehgewohnheiten und ethische Grundsätze bezüglich der Themen Erziehung, Inzest und Menschenwürde. Das verlangt dem Zuschauer einiges ab, ist aber auch hochinteressant. Würde der Film nicht so unvermittelt enden, wäre hier sogar mehr drin gewesen. Aber auch so gibt es für den Mut und das völlig andere Seherlebnis eine verdientermaßen hohe Wertung.
8/10

La Linea – The Line
Ein Auftragsmörder (Ray Liotta) reist mit dem Ziel nach Tijuana (Mexiko), den brutalen Nachkömmling des erkrankten Drogenbosses (Andy Garcia) umzulegen.
Erst gegen Ende wird klar, wer hier etwas gegen wen im Schilde führt. Die letzte Viertelstunde ist dann auch mit Abstand der beste Teil des Thrillers, der ansonsten vom gut aufgelegten Ray Liotta  und den Aufnahmen der mexikanischen Stadt lebt, welcher die Produktion auch gewidmet ist. Ein wenig mehr Mut, ausgetrampelte Genrepfade zu verlassen, hätte diesem Thriller vielleicht mehr eingebracht als die durchschnittlichste aller Wertungen.
5/10

Bildrechte: Constatin, Warner, Warner / HBO / FOX, I-On New Media, Ascot Elite / Planet Media